Neubau Begegnungszentrum St. Petrus mit Kirche und Glockenturm, Erkelenz (2022)

Der Neubau des Begegnungs­zentrums St. Petrus, Erkelenz wurde am 19.06.2022 eingeweiht.

Der Neubau mit einem Kirchenraum, einem Glockenturm und einem Ort der Erinnerung, ist der Ersatzbau für die dem Braunkohletagebau zum Opfer fallenden Kirchen und Kapellen der Orte Keyenberg, Kuckum, We­strich und Berverath.

Am neuen Ortsteil von Erkelenz wird das neue Begegnungs­zentrum mit Kirche zusammen mit der städtischen Gemeindehalle der zentrale Ort der Begegnung und des zukünftigen Gemeindelebens werden.

Die Zukunft und der mögliche Erhalt der alten Orte ist noch ungewiss. Sollten die Dörfer stehen bleiben, werden dort nur noch wenige Menschen aus den ehemaligen Dorfgemeinschaften wohnen. Neue Konzepte für die alten Orte müssen den dort verbliebenen, wie auch den umgesiedelten Menschen gerecht werden.

Projektleitung: Gregor Dewey + Ronja Danner

Der Kirchenführer zum Neubau St. Petrus ist erschienen und ab 01 / 2023 bei der Pfarre Christkönig und in St. Petrus in Druckform erhältlich! Sie können ihn hier schon herunterladen!

Atrium zwischen Pfarrsaal und Kapelle mit Taufkonche. Durchgang Kolonnade mit Bodenlichtbänder zum Ort der Erinnerung im Untergeschoss.

Blick vom Foyer in den Sakralraum und Zugang von Westen in das Atrium

In unserem Entwurf haben wir uns für eine nach Innen konzentrierte Anordnung der Gebäudeteile aus Sakralraum, Pfarr­heim und Glockenturm entschieden, die ein mit wechselnden Höhen umgebendes Geviert bilden. Sie umschließen einen geschützten Innenhof, ein Atrium, das sich zu den jeweiligen Räumen aber auch zum Dorfplatz hin öffnet.

Der Typologie eines rheinischen Vierkanthofs und der Wegeführung eines Kreuzgangs entlehnt, betritt der Besucher über das Atrium und den Haupteingang einen Ort, der ihn räumlich und inhaltlich umschließt, in den er eintauchen und zur Ruhe kommen kann, ohne den Kontakt nach außen zu verlieren. Den Übergang vom Dorfplatz zum Inneren des Neubaus schafft eine offene, überdachte Vorhalle, die baulich den Sakralbau mit dem Glockenturm verbindet.

Das neue Gebäude orientiert sich zur Südseite, entlang der Dorf­straße, die sich dort demnächst zu einem Dorfplatz ausweiten wird. Der Sakralraum und der Glockenturm prägen die Straßenansicht, eine zweistufige, in den Dorfplatz reichende Fläche führt durch den vorgelagerten, überdachten Bereich zum Atrium, in das Foyer und den Sakralraum.

Der Sakralraum orientiert sich nach Osten zu einem städtischen Grünzug mit Baumbestand. 5 Öffnungen, mal zweidimensional, mal räumlich aus dem Körper geschnitten, führen das Licht tages- und jahreszeitbedingt in unterschiedlichster Weise in den Raum. Die 3 farbigen Fenster und die ausgelaserten Cortenstahlfassaden erzeugen im Raum in unterschiedlichster Form und Intensität ein beeindruckendes Farbrauschen und wechselnde Licht­streuungen.

Blick von Norden auf das Pfarr­heim, die Kapelle und den Glockenturm

Grundriss Erdgeschoss, Blick vom Altar zur Taufkonche

Sicht vom Altar auf die Taufkonche. Neue be­wegliche Eichenholzbänke. www.schreinerei-danners.de

Eckverglasung mit vorgehängten Cortenstahlelementen ausgelasert nach Entwürfen von Jürgen Drewer (Herstellung und Montage Fa. van Vlodrop). 2-fach Reflexion des Sonnenlichts auf die bearbeitete Innenscheibe und die Corteninnenfläche. www.metallbau-van-vlodrop.de

Kapelle und Turm von Südosten gesehen. Außenwirkung der Kapellenfenster.

Fester und zentraler Ort des fast quadratischen Sakralraums ist die Altarinsel mit Zelebrationsaltar und Ambo.

Grundsätzlich verstehen wir den Altar und seine Verortung im Raum als Schwelle und zugleich Bindeglied zwischen dem irdischen Leben und der Vorstellung des Himmlischen, als Verbindung zwischen dem Menschen und Gott. Dieses Spannungsfeld zwischen Unten und Oben nimmt der Entwurf für den neuen Altar thematisch auf. Durch die seitlichen Ausnehmungen im Stein greifen der Altarkörper und der ihn umgebende Raum ineinander, der Altar bleibt jedoch durch den verbleibenden, kreuzförmigen Stipes erdverbunden, weist aber gleichzeitig nach oben in den Raum.

Damit greift der Altar ein wesentliches Thema der Raumarchitektur auf. Der nahezu kubische Sakralraum wird ebenfalls durch zwei unterschiedlich große räumliche Ausnehmungen geprägt. Hier greifen Innen­raum und Außenraum ineinander, dem Sakralraum wird damit zwar ein Teil des Volumens genommen, gleichzeitig strömt hier mit Hilfe des Lichts und der Lichtführung durch die Ausnehmungen in der Cortenfassade der Außenraum in die Kapelle.

Die Ausnehmungen wie auch die Auskragungen des Altars und Ambos weisen zugleich auf das Fehlende, das Verlorene hin, das jedoch durch die Kraft unserer Vorstellung und auch des Glaubens wieder zusammengeführt und verbunden wird. Dies entspricht im übertragenen Sinne den Einschnitten im Leben der Menschen, die hier vieles verloren haben und sich in einer veränderten Lebenssituation neu gründen und verbinden müssen.

Blick von der Taufkonche in den Kirchenraum

Fenster für die Marienkapelle mit Konturen der Plektrudis, das Atrium als Zentrum der Anlage

Pfarr­heim mit Glockenturm, Blick aus Nordosten von der Pfarrwiese aus

Atriumumgang zum Pfarrsaal, Durchreiche zur Küche. Evangeliarablage im Streulicht der Corteneckfassade.

Blick von Nordosten zum Glockenturm.

Der Künstler Jürgen Drewer hat die 3 farbigen Fenster der Kapelle entworfen und realisiert.

Das Silbergelb in den neu gestalteten Fenstern im oberen Bereich des Sakralraums, wirkt durch die Aufnahme des Lichts auch am Tage nach außen. Die Fenster tauchen den Kirchraum farblich in ein helles freundliches Licht und geben ihm eine kontemplative Atmosphäre, die den Besucher auch außerhalb der Gottesdienste zu Andacht und Meditation einlädt.

Inhaltlich sind die Fenster der Schöpfung gewidmet, in die gerade im Bereich des Braunkohletagebaus massiv eingegriffen wird. Hier assoziieren die blauen und gelben Bereiche Wasser-, als auch Landmassen. Die schwarzen und weißen Konturen sind den betroffenen Menschen zuzuordnen, die in besonderem Maße in den letzten Jahren und auch weiterhin die Einschnitte und Folgen dieser Eingriffe und Veränderungen spüren. Das Schicksal der Menschen hier vor Ort ist auch das Schicksal der globalen Menschheit.

Das große Ostfenster. (Entwurf Jürgen Drewer und Ausführung Jürgen Drewer mit Hein Derix Glasmalerei, Kevelaer). www.drewer.de , www.derix-kevelaer.de

Kapellendecke mit Beleuchtungsstäben, Acrylstäbe im Farbrauschen der Fenster www.stglicht.de

Atrium und Pfarrsaal. Westfassade Kapelle mit Corteneckfassade.

Ostwand der Kapelle mit Farbrauschen des Südfensters

Amboauflage, Weihwasserschale, Gitterdetail Aufgang zur Empore

Blick am frühen Morgen von Südwesten auf den Glockenturm, die Kolonnade und den Petrusfels. Tabernakel von Jürgen Drewer

Im Zuge der Weiterentwicklung unseres Wettbewerbsentwurfs, haben wir durch die Anregung und im Austausch mit dem Theologieprofessor Gregor Maria Hoff, ergänzend zum Gesamtkonzept einen Ort oder auch einen Weg unterhalb der Kolonnade zwischen Turm und Kapelle baulich entwickelt, der den Umsiedlern und Umsiedlerinnen Raum bietet für eine sich zu entwickelnde und zu begleitende Vermissens- und Erinnerungskultur.

Der Ort der Erinnerung oder auch Weg der Erinnerung beginnt vom Dorfplatz ausgehend am Eingang des Glockenturms. Dort gelangt man über eine Treppe in das Untergeschoss und in den Ort der Erinnerung, dessen Weg unterhalb der Kolonnaden, begleitet von Tageslichtöffnungen, letztendlich über eine weitere Treppe in den Kapellenraum mündet.

Der Entwurf von Marie Dewey und Johannes Zerfass von dbap architekten versucht mit dem unterirdischen Ort einen Raum für die Gemeinden anzubieten, zur Erinnerung, Interaktion und Reflektion ihrer kollektiven und persönlichen Erfahrungen, mit der Perspektive, das aus einem Ort des Vermissens ein Ort der Erinnerung erwächst.

Eingangsbox zum Ort der Erinnerung . Zugang vom Glockenturm.

Emporenebene und Untergeschoss. Treppenabgang im Glockenturm zum Ort der Erinnerung

Gruppenraum und Atriumumgang

Gesamtansicht von Südwesten. Ausschnitt Petrusfels

Fotos: Thomas Dewey / Grafiker, Gregor Dewey / dbap

Kunst am Bau: Jürgen Drewer